Akara war losgegangen, kaum, dass die Sonne ihre ersten
Strahlen ausgestreckt hatte.
Der Schamane des Uruk-Stammes war am gestrigen Abend noch zu ihnen gekommen und hatte die Nachricht gebracht, dass Elrik verschwunden war. Nun, nicht ihnen allen natürlich. Ihr Vater hatte schon geschlafen, und Akara war froh darüber gewesen. Sie hatte schon genug, um das sie sich momentan Sorgen machen musste, da konnte sie es nicht gebrauchen, dass ihr Vater von ihrer Liebäugelei mit dem Sohn des Uruk-Häuptlings erfuhr.
Der Schamane des Uruk-Stammes war am gestrigen Abend noch zu ihnen gekommen und hatte die Nachricht gebracht, dass Elrik verschwunden war. Nun, nicht ihnen allen natürlich. Ihr Vater hatte schon geschlafen, und Akara war froh darüber gewesen. Sie hatte schon genug, um das sie sich momentan Sorgen machen musste, da konnte sie es nicht gebrauchen, dass ihr Vater von ihrer Liebäugelei mit dem Sohn des Uruk-Häuptlings erfuhr.
Elrik war
jedenfalls keine dieser Sorgen. Sie wusste, dass er nicht einfach fortlaufen
würde, ohne dass er nicht wenigstens versuchen würde, sie zum Mitkommen zu
überreden.
Natürlich
hatte es ihr wehgetan, dass sie nicht mit ihm zusammen sein konnte. Sie hatte
deswegen beinahe die ganze Nacht hindurch geweint, aber dann waren die anderen Sorgen
hinzugekommen, sie hatte ihre Tränen getrocknet und beschlossen, ihn aufzugeben. Sie hatte es, wenn sie
ehrlich zu sich war, ja schon von Anfang an gewusst, dass ihr Glück nicht von Dauer sein würde. Es war nichts, das sie nicht schon kannte.
Weil sie auch nicht dachte, dass Elrik etwas Dummes tun würde, hatte
sie nicht riskiert, nachts auf die Suche nach dem Verschwundenen zu
gehen. Sie hatte dem Schamanen versichert, dass sie ihn finden würde, hatte
sich wieder hingelegt und war bei Sonnenaufgang losgegangen. Wie sie es
sich gedacht hatte, fand sie ihn auch an dem Ort, an dem er sie damals darum gebeten
hatte, seine Gefährtin zu werden.
Ihr Herz verkrampfte sich, als sie die zusammengekrümmte
Gestalt am Fuße des Baumes sah, die Elrik war. Er musste die ganze Nacht dort
gewesen sein. Vielleicht war er auch schon seit zwei Tagen dort. Seitdem sein
Vater sie und ihre Beziehung abgelehnt hatte.
„Da bist du
ja“, sagte sie zu ihm, und bei ihrer Stimme schreckte Elrik auf und zwei große,
erschrockene Augen trafen sie. „Alle machen sich schon Sorgen um dich, weißt
du.“
Im nächsten Moment war er auf den Beinen und hatte die
Arme um sie geschlungen.
„Akara!“, rief
er und seine Stimme klang ungewohnt kratzig.
Als er sie wieder losließ, konnte sie
die unverkennbar dunklen Ringe unter seinen Augen sehen. Er war blass und sah auch ansonsten nicht gerade gut aus. Sie fragte sich, ob er überhaupt
geschlafen oder gegessen hatte, seitdem er von Zuhause fortgelaufen war.
„Ich bin ja
so froh, dass du hier bist. Ich hatte schon Angst, dass dein Vater dich
eingesperrt hat.“
Sie wollte ihn fragen, wie er darauf kam, aber er ließ sie gar nicht zu Wort kommen.
„Es tut mir
so leid, wie sich meine Leute verhalten haben! Ich weiß gar nicht, was ich dir
sagen soll, um dir zu zeigen, wie leid mir das tut! Ich hätte es eigentlich
wissen müssen! Ich hätte es wissen müssen!“
„Schon gut.
Ich kenne das ja schon“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Mein Vater, und damit wir, waren bislang
nirgends sonderlich beliebt, falls du dich erinnerst. Du solltest deinen Leuten nicht
so viele Vorwürfe deswegen machen. Sie versuchen nur, zu beschützen, was ihnen lieb und teuer ist. Da
kann ich ihnen keine Vorwürfe machen. Es ist nur klug, dass sie das tun. Du
solltest auch lieber zurück zu deiner Familie gehen.“
Doch Elrik
wollte davon nichts wissen. Nichts von ihrem Vorschlag und schon gar nicht
davon, einzusehen, dass sein Vater einen Grund für seine Tyrannei haben könnte.
„Pah! Der kann
mir gestohlen bleiben!“, sagte er, als hätte Akara nur über seinen Vater
gesprochen.
Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck urplötzlich und so etwas wie
ein verstohlenes Lächeln stahl sich auf seine Lippen, das da völlig fehl am Platz wirkte.
„Ich habe eine
viel bessere Idee! Wie wäre es, wenn wir zusammen fortgehen würden?“, schlug er
vor. „Vielleicht zu einem der anderen Stämme. Oder ganz woanders hin. Wo uns
niemand kennt.“
Er hatte die
letzten zwei Tage sehr intensiv über das Geschehene und ihr Problem
nachgedacht, und es schien ihm die einzige Lösung zu sein.
„Ich denke nicht, dass wir das tun sollten“, sagte Akara
jedoch. „Ehrlich gesagt, denke ich auch nicht, dass wir uns noch länger sehen
sollten, Elrik.“
Es war der
schwere Part. Sie hatte schon befürchtet, dass er sie nicht so einfach aufgeben
würde wie sie ihn. Natürlich war jetzt sofort Schrecken auf seinem Gesicht zu
sehen, dicht gefolgt von Verzweiflung.
„Aber warum
nicht? Nur, weil unsere Eltern es nicht gutheißen, dass wir – “
„Das ist es
nicht“, fuhr sie dazwischen. „Ich könnte sicherlich mit dir fortgehen, aber
ich habe mich dazu entschieden, zu bleiben. Ich kann einfach nicht weggehen.“
„Und warum nicht?“
„Weil ich es meiner Schwester schuldig bin,
hierzubleiben. Und nicht nur ihr. Auch meiner Mutter, meinem Bruder und meinem
Großvater bin ich es schuldig. Aber vor allen Dingen meiner Schwester. Denn ich
habe den Verdacht, dass Vater ihr etwas antut. Etwas, das ein Vater seiner Tochter nicht antun sollte.“
Sie machte
eine Pause, um unglücklich ihre Füße zu betrachten, während Elrik noch eine
ganze Weile brauchte, um auch nur den Hauch einer Idee zu haben, wovon sie
sprach. Doch selbst dann wollte es ihn nicht so wirklich erreichen. Er konnte
einfach nicht begreifen, dass ein Vater seinem Kind so etwas antun konnte.
„Ich weiß es
nicht sicher, ob es so ist“, fuhr Akara fort, „weil sie mir nicht antworten will, wenn ich sie darauf anspreche. Aber es wäre Vater zuzutrauen. Nach allem, was er schon getan hat. Nach allem,
was er selbst Mutter angetan hat.“
Elrik wusste
schon seit Beginn ihres Monologes nicht mehr, was er dazu sagen sollte. Dennoch
rutschte ihm nun ein: „Was denn?“, heraus.
„Du musst wissen,
dass meine Mutter nicht immer so… abwesend wie jetzt war. Früher soll sie eine
aufgeweckte, neugierige und lebenslustige Frau gewesen sein. Das hat Vater selber erzählt. Sie und Großvater
Cain sind damals zusammen durch die ganze Welt gereist.
Doch eines
Winters wurde Großvater schwer krank. Sie waren gerade unterwegs und nirgends
war eine Menschenseele außer ihnen. Mutter ist ewig gelaufen, bis sie schließlich eine
Hütte in einem Wald fand, in der sich Vater damals eingenistet hatte. Sie bat
ihn, zu helfen, aber er wollte nichts davon wissen, wenn sie ihm nicht... gefällig sein
würde. Mutter war bewaffnet, aber er war es auch, und er war der Einzige, der
ihr helfen konnte.
Also hat sie
zugestimmt und obwohl es das Leben von ihrem Vater gerettet hat, hat es Ihres
zerbrochen. Du siehst ja selber, dass es nicht bei ihrer Abmachung geblieben
ist. Er hat sie eingesperrt, zusammen mit ihrem Vater. Er hat sie gehalten wie
Vieh.
Als ich klein war, hat Mutter noch manches Mal gelächelt, daran erinnere ich mich genau. Aber inzwischen lächelt sie nicht mehr. Und Großvater ist so oft krank, dass er ihr nicht mehr helfen kann.“
Als ich klein war, hat Mutter noch manches Mal gelächelt, daran erinnere ich mich genau. Aber inzwischen lächelt sie nicht mehr. Und Großvater ist so oft krank, dass er ihr nicht mehr helfen kann.“
„Deswegen muss ich bei ihnen bleiben. Mutter braucht
mich, Großvater geht es immer schlechter, und ich kann auch Anya mit diesem Monster
nicht allein lassen. Ich muss ihr irgendwie helfen. Ihnen allen.“
Da war Elrik
an sie herangetreten und hatte ihr Gesicht in seine Hände genommen. „Wir werden ihnen helfen!“, versicherte
er inbrünstig. „Ich werde alles tun, um dir und deiner Familie zu helfen, Akara!“
Doch Akara
schüttelte unglücklich den Kopf, bevor sie seine Hände sachte fortstieß.
„Nein, Elrik. Ich möchte dich nicht länger da mit reinziehen. Das ist meine
Sache, und ich werde es sein, die das regelt. Ich habe mich lange genug nur auf
dich verlassen. Jetzt bin ich dran. Du solltest lieber zusehen, dass du die
Sache mit deiner Familie klärst, bevor es zu später dafür ist.“
Sie drehte ab,
aber bevor sie ging, ließ sie ihm noch da: „Du hast eine gute Familie, Elrik.
Deine Eltern meinen es nur gut mit dir, und dafür solltest du dankbar sein. Du
solltest lieber alles dafür tun, dass du sie nicht verlierst.“
Doch ihre Worte erreichten ihn nicht. Alles, was er
momentan sehen konnte, war die Ungerechtigkeit darüber, dass er nicht einfach
glücklich sein konnte. Dass Akara nicht an seiner Seite sein konnte.
Lu hatte die letzten beiden Tage so gut wie gar nicht
geschlafen – sein kurzes Nickerchen am Strand und die ein-, zweimal, die er diese
Nacht in einen unruhigen Halbschlaf geglitten war – und die Sorgen hatten
ihn jedes einzelne Mal wieder geweckt.
Er hatte
beinahe die ganze Nacht hindurch gesucht, und nicht nur er. Wenn er ihn nicht hinter sich
schnarchen hören würde, hätte er gedacht, dass Tann sogar immer noch suchen
würde. Der Stammesführer hatte es zwar nicht zugegeben, aber Lu hatte die Sorge um seinen Sohn nur zu deutlich auf seinem Gesicht gesehen. Sorge, und
erstmals auch Zweifel, der Lu dort doch sehr überrascht und erfreut hatte, zu
sehen.
Dennoch war
Elrik verschwunden geblieben, und auch von Rahn fehlte nach wie vor jede Spur. Seine Mutter war die ganze Nacht auf und ab gelaufen, und er hatte sie nur
schwerlich davon abhalten können, in die Nacht hinauszugehen, um mit den
Anderen zu suchen. Obwohl sie es niemals zugegeben hätte, war sie nicht mehr so
fit wie früher und brauchte ihre Ruhe.
Er hatte mit dem Mädchen gesprochen, das Elrik
mitgebracht hatte. Akara war ihr Name. Sie hatte ihm zwar versichert, dass sie
wusste, wo er war, aber nicht allein das Fehlen von zwei Stammesmitgliedern war
es, das Lu momentan Bauchschmerzen bereitete. Elrik, Tann, Rahn, die Situation mit
den Nachbarn. Es war in letzter Zeit so vieles geschehen und er hatte nichts
davon lösen oder gar verhindern können. Ja, er hatte vieles davon nicht einmal
mitbekommen!
Was für ein
Schamane war er überhaupt, dass er so etwas nicht mitbekam? Dass man ihm so
wenig Vertrauen schenkte, um ihn zu Rate zu ziehen? Sich ihm anzuvertrauen?
Er musste
etwas tun. Es konnte so nicht weitergehen. Tann kam schon lange nicht mehr allein
zurecht, egal, was er sagte. Und deshalb war es jetzt an ihm, zu helfen. Aber was
sollte er tun? Wie konnte er helfen, wenn er zuvor schon derart kläglich als
Schamane versagt hatte?
Während er über eine Lösung des Problems sinnierte,
war er ins erste Zwielicht des Tages hinausgetreten und zum Schrein
hinübergegangen. Das rituelle Morgenfeuer brachte eine angenehme Wärme in die
noch kühlen Morgenstunden, die bald schon einem heißen Sommertag weichen
würden. Er legte die Opfergaben bereit und als die Getreidehalme zischend in
den Flammen vergingen, hob er den Kopf zum Himmel.
Die Götter
waren nicht dafür da, ihm bei seinen Sorgen zu helfen. Sie brachten Regen,
Gewitter, Sonnenschein, sie ließen das Wasser fließen und die Ernte gedeihen.
Aber dennoch fand er Trost im Gebet. Er hatte schon oft Trost und manches Mal
auch Rat gefunden, wenn er in seinen Gedanken zu ihnen gesprochen hatte. Immer,
wenn er einsam gewesen war, immer, wenn er nicht weiter gewusst hatte, hatte er
sich ihnen zugewandt. Und deshalb tat er es auch diesmal.
‚Was soll ich nur tun, ihr Götter?‘
Er wusste,
dass sie ihm nicht antworten würden, aber allein den Rauch zu beobachten, der
sich langsam über seinem Kopf zu bilden begann, brachte ihm Ablenkung und
seinem eigenen Geist neue Ideen. Es war beinahe, als wäre die dunkle Wolke über
ihm ein lebendiges Wesen, das behütend auf ihn hinabblickte.
„Du bist also Schamane geworden“, stach eine tiefe Stimme
mitten in seine Konzentration und ließ ihn erschrocken zusammenfahren.
Sofort war er
auf den Beinen und als er sich nach dem Störenfried umsah, bemerkte er
Wulfgar, der unweit von ihm entfernt am Vorratsschuppen stand.
Wulfgar! Er hatte ihn vollkommen vergessen!
Wulfgar! Er hatte ihn vollkommen vergessen!
„Äh…“, gab er
hilflos von sich. Er konnte nichts anderes tun, als den unerwarteten Gast mit
offenem Mund anzustarren.
„Siehst gut
aus“, sagte Wulfgar grinsend und entblößte dabei eine Reihe an erstaunlich gesunden Zähnen. „Steht dir.“
„Machst du dich etwa über mich lustig?“, fand Lu endlich seine Stimme wieder. „Ich weiß, dass
ich dämlich aussehe.“
Eigentlich war
er mächtig stolz auf seine Tracht. Aber irgendwie schämte er sich momentan trotzdem.
„Ich würde
mich doch niemals über dich lustig machen“, erwiderte Wulfgar, und Lu wusste nicht,
ob er das jetzt ernst meinte oder nicht.
Wulfgar kam jetzt zu ihm, und als er vor ihm stehen
blieb, hatte Lu einen Kloß im Hals.
„Warum das
lange Gesicht? Ich sollte eigentlich so aussehen nach der Sache, die meine
Schwester da gemacht hat.“
Lu hatte
natürlich davon gehört. Aber er ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen sagte
er: „Oh, hier ist auch so einiges los. Richtig lustig in letzter Zeit, sag ich dir. Da wären zum einen unsere neuen, netten Nachbarn, mit denen wir uns so gut
verstehen, dass Tann ihnen am liebsten Mal die Spitzen unserer Speere näher zeigen
würde. Nicht zu vergessen, dass er sich gerade wunderbar mit seinem Sohn
versteht. So gut, dass wir gerade keine Ahnung haben, wo er sich aufhält.
Erwähnte ich schon, dass Rahn verschwunden ist? Das mit Dana und Jin hast du ja selber mitbekommen. Ach ja, und beinahe alles davon habe ich nicht einmal mitbekommen, weil ich nichts anderes tun kann, als mir den Mund fusselig zu reden, aber mir anscheinend niemand zuhört oder mir was sagt.“
Erwähnte ich schon, dass Rahn verschwunden ist? Das mit Dana und Jin hast du ja selber mitbekommen. Ach ja, und beinahe alles davon habe ich nicht einmal mitbekommen, weil ich nichts anderes tun kann, als mir den Mund fusselig zu reden, aber mir anscheinend niemand zuhört oder mir was sagt.“
„Ich sehe
schon, ich habe ganz schön was verpasst.“
„Definitiv.“
„Hey, ich kenne natürlich nicht die Details, aber wenn
ich eines auf meinen Reisen gelernt habe, dann, dass sich alles irgendwann auflöst. Es ist nur eine Frage der Zeit und davon, ob und wie viele
Menschen letztendlich sterben.“
„Soll mich
das jetzt etwa beruhigen?“ Lu seufzte schwer. „Das tut es nämlich überhaupt
nicht! Ich versuche hier ja gerade, Todesopfer zu vermeiden!“
„Deine Aufgabe
ist immer die schwerste. Die des Friedenswahrers, meine ich. Aber wenn du
optimistisch bleibst und weiter dafür kämpfst, wird das schon. Da bin ich
zuversichtlich. Du darfst nur nicht aufgeben. Dann hast du schon verloren.“
„Ich hoffe, du
hast recht.“
Wulfgars Zuversicht hatte ihm ehrlich gefehlt. Es tat
gut, mal ein paar aufmunternde Worte zu hören, als sie immer nur erteilen zu
müssen. Vielleicht war das auch der Grund, dass sich Lu nun doch ein
versonnenes Lächeln auf die Lippen setzte, obwohl ihm überhaupt nicht nach
Lächeln zumute sein sollte.
Wulfgar tat
es ihm gleich, und einen Moment lang taten die beiden nichts anderes, als sich
anzulächeln. Lu störte es nicht, dass sie nicht mehr sprachen. Er mochte es
auch, wenn sie schwiegen. Hauptsache, Wulfgar war da.
Bevor Wulfgar zum Weitersprechen ansetzen konnte,
kam jemand drittes hinzu. Lu verschluckte sich, als er Luis aus dem Haus kommen
sah, und dann beschlich ihn auch noch ein schlechtes Gewissen obendrein.
„He, Papa, ich
dachte, du würdest mich wecken. Wir wollten das Morgenritual
doch zusammen abhalten.“
Luis war in
letzter Zeit ganz versessen darauf, alles zu lernen, was es brauchte, um ein
Schamane zu sein. Er hielt auch nicht hinterm Berg damit, dass er seinem Vater
eines Tages als Geistlicher des Stammes nachfolgen wollte.
„Tut mir
leid, Luis. Ich habe das bereits erledigt.“
„Was? Aber du hast es versprochen!“, beschwerte sich der
Junge entrüstet.
„Ich weiß,
aber ich habe gerade so viel zu tun, dass ich es vergessen habe. Morgen dann,
ja?“
Eigentlich
hatte er nur zu viele Sorgen, die ihn beschäftigten, aber das musste Luis ja
nicht wissen. Lu war noch immer etwas überfordert im Umgang mit Kindern, aber
Luis war glücklicherweise ein sehr umgängliches Kind. Lu hatte vor allen Dingen niemals damit gerechnet, dass sein Sohn ihn eines Tages bewundern würde.
„Das ist übrigens Wulfgar. Ein alter Freund“, lenkte Lu
die Unterhaltung auf ein anderes Thema, als die Zitrone nicht aus dem Gesicht
seines Sohnes verschwinden wollte. „Und das ist
Luis. Mein Sohn.“
Luis kniff
die Augen zusammen, wie er es die letzte Zeit oft tat, als er Wulfgar ansah, und grüßte verhalten. Dann jedoch wandte er sich wieder an
seinen Vater.
„Wenn Mama dich noch nicht gesehen hat, solltest du
übrigens lieber abhauen und woanders essen. Weil sie heute das Essen macht,
weil Dana nicht aufgestanden ist. Sie ist krank oder so, sagt Mama.“
Als Lu das
hörte, zog sich sein Magen automatisch zusammen. Schon allein beim Gedanken an
Lulus Kochkünste wurde ihm speiübel. Er fragte sich ernsthaft, wer sie
überhaupt an die Herdstelle gelassen hatte.
„Wirklich?“,
fragte er nach, und er konnte nicht verhindern, dass sich dabei das Grauen auf sein
Gesicht verirrte.
„Ja. Mich hat
sie schon gesehen. Leider. Deswegen muss ich da durch, aber du hast Glück und
solltest lieber abhauen. Bete für mich, dass ich
das überlebe.“
„Sind Lulus Kochkünste wirklich so schlimm?“, fragte Wulfgar, nachdem Luis wieder nach drinnen gegangen war.
„Oh, du hast
ja keine Ahnung. Du solltest lieber zusehen, dass du ganz schnell von hier
verschwindest.“
„Da bin ich
ja mal gespannt. Ich hab schon so einiges gegessen, was du dir wahrscheinlich
nicht mal vorstellen kannst. Ich glaube, bis jetzt hat mich nur die Kochkunst
der Kannibalen zum Wegrennen gebracht.“
Als Lu ihn nur zweifelnd ansah, aber nichts mehr dazu sagte, kam er auf ein
anderes Thema zu sprechen: „So, du und Lulu habt inzwischen ein Kind
zusammen, ja? Oder sind es noch mehr?“
„Nein, nur
Luis. Aber wie kommst du überhaupt drauf, dass Lulu Luis‘ Mutter ist?“
Wulfgar
lachte. „Weil sie schon damals ein Auge auf dich geworfen hat, deshalb. Ich bin ja,
ehrlich gesagt, ein bisschen neidisch auf dich, was das angeht. Ich hätte ja auch gern eins. Ach was, ich hätte
gerne einen ganzen Stamm voll davon.“
Das konnte Lu nicht so nachvollziehen. Aber er fragte: „Warum
hast du dann keins? Ich meine… ich habe ja auch eins.“
„Schon, aber
ich hab einfach noch keine Frau gefunden, die bereit war, einem Reisenden
Kinder zu schenken. Zumal ich ja schon gern sehen würde, wie meine Kinder
aufwachsen.“ Er seufzte. „Kinder und Reisen vertragen sich anscheinend nicht so
gut, wenn man die Mutter nicht gleich mitnehmen will.“
Lu wollte fragen, ob er schon mal daran gedacht hatte,
einfach irgendwo sesshaft zu werden, bestenfalls hier vor Ort, als plötzlich
und unerwartet der vermisste Elrik auftauchte.
Er rief nach dem Schamanen, aber dennoch war es Wulfgar,
der zuerst zu ihm sprach: „Hey,
Elrik! Du bist ja ganz schön in die Höhe geschossen. Als ich dich das letzte
Mal gesehen habe, hast du mit Aan zusammen noch Nickerchen auf mir gemacht.“
„Ähm…“
Wulfgar
lachte. „Ist ja auch schon eine Weile her, was?“ Er warf Lu einen Blick zu.
„Ich werde euch dann mal lieber allein lassen.“
Und er ging, um sich tapfer dem Essen von Lulu zu stellen.
„Schamane, ich möchte dich um deinen Rat bitten. Und
um deine Hilfe“, brachte Elrik umgehend sein Anliegen vor, nachdem Wulfgar fort war. „Bitte hilf mir! Es muss doch einen Weg geben, wie ich es
schaffen kann, dass Akara hier leben kann.“
Lu war ja schon sehr froh darüber, dass endlich mal jemand von den Sorgenkindern zu ihm
kam. Wenn er nur gewusst hätte, wie er helfen sollte.
„Nun, ich
kann dir keinen universellen Ratschlag erteilen, Elrik. Ich denke, dass es das
Beste ist, wenn du dich erst einmal mit deinem Vater aussprichst“, riet er ihm
deshalb nur.
„Mit dem kann man sowieso nicht sprechen! Es
muss doch einen anderen Weg geben! Irgendetwas! Bitte, Schamane, du kannst doch
bestimmt irgendeinen Einspruch oder so einlegen! Du bist schließlich der Schamane!
Die Götter sprechen zu dir, also muss Vater doch auch auf dich hören!“
‚Wenn es nur so wäre…‘
„So einfach ist das nicht, Elrik.“
„Akara
braucht meine Hilfe! Wenn mein Vater mit etwas recht
hat, dann damit, dass ihr Vater ein schrecklicher Unmensch ist. Akara sagt, dass er
ihrer Schwester Schlimmes antut, und ich habe Angst, dass er auch ihr etwas
antut. Bitte, wir müssen sie da rausholen!“
Lu war mehr als nur erschüttert, als er das hörte. Er
hatte ja schon bemerkt, dass mit Dia Hell nicht gut Kirschen essen war, aber
dass selbst seine eigenen Kinder unter ihm zu leiden hatten, erschreckte ihn zutiefst.
Wenn es stimmte, was Elrik sagte, dann war die Not größer,
als er gedacht hatte. Dann musste er etwas unternehmen. Etwas,
das vielleicht drastischer war, als dass ihm lieb war.
„Nun…“ Er zögerte. „Wenn ich deinen Vater
einschätzen müsste, dann gibt es nur einen Weg, wie du ihn auf die Schnelle
dazu bekommen kannst, Akara hier aufzunehmen…“
Natürlich
wurde Elrik da hellhörig. „Was denn?“, drängte er aufgeregt, als Lu nicht
weitersprach.
„Tann würde niemals
seine Familie im Stich lassen.“
Damit war alles
gesagt. Elrik brauchte nicht mehr zu hören. Er hatte es auch so verstanden. Wenn
er wollte, dass sein Vater Akara bei sich im Stamm aufnahm, musste er ihn mit Akara zusammen zum
Großvater machen. Und wenn Akara erst einmal hier war, würden auch
ihre Geschwister, ihre Mutter und ihr Großvater hier Schutz finden können. Denn dann gehörten auch sie zur Familie.
____________________
Hier weiterlesen -> Kapitel 43
Wenn das mal so eine gute Idee ist. Aber wenigstens hat Elrik endlich eingesehen, dass er nicht alles allein schultern kann und Hilfe braucht. Jetzt muss nur noch Akara überzeugt werden.
Elrik ist also erstmal zurück (obwohl er am liebsten weg wäre), was man von Rahn noch nicht sagen kann. Und das, obwohl Anya scheinbar wieder Zuhause ist.
Nächstes Mal dann versucht Elrik, Akara zu überzeugen, während Lu an seinem eigenen Ratschlag zweifelt.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen und ich verabschiede ich hier.
Hier weiterlesen -> Kapitel 43
Wenn das mal so eine gute Idee ist. Aber wenigstens hat Elrik endlich eingesehen, dass er nicht alles allein schultern kann und Hilfe braucht. Jetzt muss nur noch Akara überzeugt werden.
Elrik ist also erstmal zurück (obwohl er am liebsten weg wäre), was man von Rahn noch nicht sagen kann. Und das, obwohl Anya scheinbar wieder Zuhause ist.
Nächstes Mal dann versucht Elrik, Akara zu überzeugen, während Lu an seinem eigenen Ratschlag zweifelt.
Bis dahin, danke fürs Vorbeischauen und ich verabschiede ich hier.
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